Makroökonomische Hausmeinung – August 2023
Das Wichtigste auf einen Blick
- Rund 3 % globales Wachstum als Basisszenario – keine Rezession in naher Zukunft
- Zentralbanken kündigen Ende des Straffungszyklus an – Lockerung aber noch nicht in Sicht
- Die Auswirkungen der angekündigten Stimulierungsmaßnahmen in China lassen auf sich warten
Globaler Ausblick
Die spätzyklische Wirtschaftsexpansion setzt sich weiter fort, obwohl sich das Wachstum abschwächt und die Geldpolitik als straff bezeichnet werden kann. Die globale Wirtschaftstätigkeit erweist sich widerstandsfähiger als noch vor Monaten erwartet. Auf kurze Sicht gibt es kaum Anzeichen für eine drohende Rezession. Anlass zur Sorge geben die nachlassende Erholung und der zunehmende Stress im Immobilien- und Finanzsektor in China.
Auch wenn sich die Arbeitslosenquoten langsam von ihren Rekordtiefs entfernen, bleiben die Arbeitsmärkte angespannt. Das Verbrauchervertrauen verbessert sich von einem niedrigen Niveau aus weiter. Frühindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes bestätigen das Bild einer wirtschaftlichen Verlangsamung. Während der Dienstleistungssektor nun rasch an Schwung verliert, scheint der Abwärtstrend im verarbeitenden Gewerbe vorerst gestoppt zu sein, auch wenn die Zahlen immer noch auf eine Schrumpfung hindeuten.
„Ein Ende der geldpolitischen Straffung
zeichnet sich immer deutlicher ab.“
Michael Blümke
Ein Ende der geldpolitischen Straffung zeichnet sich immer deutlicher ab. Während dies durch den Rückgang der Gesamtinflation bestätigt wird, hält die Kerninflation vor allem im Dienstleistungssektor weiter an. Daher sollte die Entschlossenheit der Zentralbanken, die Inflation auf das Ziel von 2 % zu senken, nicht unterschätzt werden. Sollte sich der Rückgang der Inflation verzögern oder gar beschleunigen, müssten die Zentralbanken erneut auf die geldpolitische Bremse treten und eine Rezession riskieren. Aktuell erwarten wir jedoch keinen, maximal einen weiteren Zinsschritt der beiden wichtigsten Notenbanken.
USA
Vor dem Hintergrund eines gesunden Konsums, einer nachlassenden Inflation und einer Erholung der Unternehmensinvestitionen besteht weiterhin die Hoffnung auf ein sogenanntes „Soft Landing“. Das Wachstum der US-Wirtschaft beschleunigte sich im zweiten Quartal und übertraf das der anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Auch wenn die verzögerte Wirkung der Geldpolitik und strengere Kreditvergabestandards das Wachstum in den kommenden Monaten weiter dämpfen werden, prognostiziert beispielsweise das GDP Now-Modell der Atlanta Fed für das dritte Quartal ein reales Wachstum von annualisiert 5,6 %. Auch wenn diese Schätzung tendenziell zu hoch ist, deutet der Trend nicht auf eine massive Abschwächung hin. Die Erholung im bislang schwachen Wohnungsbausektor und im verarbeitenden Gewerbe stützt diese These. Sowohl das moderate Sinken der Nachfrage nach Arbeitskräften als auch ein langsamerer Beschäftigungszuwachs deuten auf eine sukzessive Entspannung des Arbeitsmarktes hin. Offensichtlich ist es der US-Notenbank bislang gut gelungen, die Gesamtnachfrage zu senken und die Inflation auf 3,2 % einzudämmen, ohne einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verursachen. Jedoch hat Fed Chair Powell auf dem diesjährigen Jackson Hole Summit wiederholt deutlich gemacht, dass die Aufgabe der Zentralbank noch nicht abgeschlossen ist und eine erneute Beschleunigung der Wirtschaftstätigkeit die Fed zu weiteren Zinserhöhungen zwingen könnte.
Eurozone
Die BIP-Daten für das zweite Quartal deuten darauf hin, dass die Wirtschaft der Eurozone die technische Rezession, in die sie im vierten Quartal des vergangenen Jahres geraten war, überwunden hat. Dennoch stagniert die Wirtschaft der Eurozone weiterhin. Deutschland und Italien zeichnen sich derzeit durch ein besonders schwaches Wachstum aus. Besonders besorgniserregend ist, dass der Dienstleistungssektor, der die Erholung im ersten Halbjahr angeführt hatte, nun ebenfalls schrumpft. Die Einkaufsmanagerindizes fielen im August drastisch in den negativen Bereich. Während sich das Verbrauchervertrauen vor dem Hintergrund eines soliden Arbeitsmarktes von einem niedrigen Niveau aus verbesserte, waren die harten Daten fast durchgehend enttäuschend: Die schwache Auslandsnachfrage belastete das verarbeitende Gewerbe, der Immobiliensektor steht weiter unter Druck und trotz Fortschritten bei der Gesamtinflation verharrt die Kerninflation hartnäckig bei 5,5 %. Aufgrund des daraus resultierenden negativen Realzinses bleibt das Dilemma der EZB, die Zinsen trotz eines wirtschaftlichen Abschwungs erhöhen zu müssen, bestehen. Wir gehen jedoch davon aus, dass die EZB nach noch maximal einer weiteren Zinserhöhung eine Pause einlegen wird, um die Entwicklung der nächsten Makrodatenpunkte abzuwarten.
China
Chinas Wirtschaft sollte in diesem Jahr das weltweite Wachstum ankurbeln. Doch trotz der Entschlossenheit der Behörden, das Wachstum zu stützen, hat sich die Erholung im August weiter verschlechtert. Der Einbruch des Immobilienmarktes zeigte erneut seine unangenehmen Auswirkungen in Form einer Liquiditätskrise im Schattenbankwesen und weiterer Zahlungsausfälle bei Immobilienunternehmen. Um die Gefahr einer Ausweitung der Krise zu reduzieren, betonte das Politbüro zwar wiederholt die Notwendigkeit gezielter politischer Maßnahmen zur Wiederherstellung des Vertrauens des Privatsektors, zur Ankurbelung von Investitionen und Konsum sowie zur Unterstützung des Immobiliensektors. Jedoch blieben bis auf die zweimalige Reduktion der Zinssätze durch die PBoC großangelegte fiskalische Unterstützungsmaßnahmen aus. Das Ziel eines BIP-Wachstums von "etwa 5 %" im Jahr 2023 scheint immer weiter außer Reichweite zu rücken. Abgerundet wird dieses nicht unbedingt positive Bild durch die Tatsache, dass während die meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften nach wie vor mit zu hohen Inflationsraten zu kämpfen haben, im Reich der Mitte mittlerweile Deflation herrscht.
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