Hartnäckige Inflation und leichtes Wachstum sorgen für Stirnrunzeln bei den Zentralbanken
Das Wichtigste auf einen Blick
- Die Weltwirtschaft erholt sich besser als bisher prognostiziert. Der IWF geht nun von einem Wachstum von 3,2 % aus.
- Die USA sind weiterhin die weltweite Wirtschaftslokomotive. Europa hat die Talsohle zwar durchschritten, bleibt trotzdem schwach und Chinas Wirtschaft sollte dank politischer Unterstützung wachsen.
- Die positiven Wachstumsprognosen in Kombination mit bevorstehenden Wahlen könnten den Disinflationspfad gefährden – trotz unterschiedlicher Dynamiken wird die Geldpolitik gelockert werden.
Makroökonomische Hausmeinung
Globaler Ausblick
Mit der fortschreitenden Erholung der Weltwirtschaft hat der IWF seine globale Wachstumsprognose für 2024 leicht auf 3,2 % angehoben. Die Aufwärtskorrektur ist vor allem auf die US-Wirtschaft zurückzuführen, für die nun ein Wachstum von 2,7 % erwartet wird. Europa hat mit einer Wachstumserwartung von 0,8 % die Talsohle durchschritten und Chinas Wirtschaft sollte mit politischer Unterstützung um 4,6 % wachsen. Insgesamt wirken sich die soliden Arbeitsmärkte, der widerstandsfähige Dienstleistungssektor und Fortschritte im verarbeitenden Gewerbe positiv auf die Wirtschaftsaussichten aus. Auf der anderen Seite können diese Entwicklungen, gepaart mit fiskalischen Unterstützungen im Wahlzyklus, den Disinflationspfad gefährden. Der ins Stocken geratene Rückgang des Preisniveaus wirft die Frage auf, ob die Rahmenbedingungen zur Finanzierung restriktiv genug sind, um die Inflation auf das Zielniveau zu bringen. Dennoch werden die Zentralbanken in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ihre Politik im Jahr 2024 lockern. Die Aussichten sind aufgrund der verschiedenen Wachstumsdynamiken aber recht unterschiedlich und um einiges moderater als noch vor sechs Monaten. Die Leitzinsen werden deshalb länger als erwartet auf einem erhöhten Niveau bleiben.
USA
Auch nach der rasanten Expansion in 2023 bleibt das Wachstum der US-Wirtschaft auf einem gesunden Niveau. Zwar ist die erste Schätzung für das BIP im ersten Quartal mit +1,6 % Q/Q schwächer als erwartet, jedoch deuten einige Daten auf eine mögliche Beschleunigung in der zweiten Jahreshälfte hin. Das Verbrauchervertrauen schwächte sich im April aufgrund von Bedenken über den jüngsten Inflationsanstieg ab. Die Auftragseingänge für langlebige Güter sind nach wie vor gut, während sich die Dynamik der Kapitalinvestitionen abschwächt. Das persönliche Einkommen bleibt solide und die privaten Konsumausgaben haben sich mit einem Anstieg der Einzelhandelsumsätze im März beschleunigt. Im verarbeitenden Gewerbe gibt es erste Anzeichen einer Erholung. Der Dienstleistungssektor befindet sich nach wie vor im Expansionsbereich. Die Zahl der Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft stieg in beeindruckendem Tempo und die Arbeitslosenquote ging auf 3,8 % zurück. Trotz der soliden Beschäftigungsdaten ist das Lohnwachstum mit 4,1% geringer als die 4,3 % im Februar. Dies ist auf die Zunahme des Arbeitskräfteangebots hauptsächlich durch Immigration zurückzuführen.
Die Inflationsdaten nähren die Befürchtung, dass sich die Preissteigerungen auf erhöhtem Niveau verfestigen könnten. Die Inflation übertraf im März den dritten Monat in Folge die Erwartungen, wobei die Gesamt- und die Kerninflation monatlich um jeweils 0,4 % stiegen. Auch die Inflationserwartungen steigen allmählich an. Weil die Zuversicht über das Erreichen des 2 %-Ziels sinkt, verzögert sich die Lockerung der Geldpolitik weiter. Es ist immer noch davon auszugehen, dass die Fed die Zinsen noch in diesem Jahr senken wird. Aber die aktuellen makroökonomischen Bedingungen sind eindeutig noch nicht reif für eine Zinssenkung in der ersten Jahreshälfte. Die solide Expansion und der starke Arbeitsmarkt werfen gleichzeitig die Fragen auf, ob die derzeitige Politik restriktiv genug ist, um die Nachfrage zu bremsen und ob die Fed ihre Politik überhaupt lockern sollte.
Eurozone
Die Wirtschaftstätigkeit in der Eurozone ist schwach, aber die jüngsten Daten spiegeln eine deutliche Verbesserung der makroökonomischen Situation wider. Der Einkaufsmanagerindex beispielsweise befindet sich nach mehreren Monaten des Rückgangs in einem Aufwärtstrend. Die Wirtschaft scheint die Talsohle durchschritten zu haben. Frühindikatoren und Erhebungen über die künftige Wirtschaftstätigkeit erholen sich von einer niedrigen Basis. Der Dienstleistungssektor hat im April positiv überrascht und der Welthandel zieht langsam an, was der Eurozone einige positive Impulse verleihen sollte. Die Kreditvergabe der Banken an Haushalte und Unternehmen verbessert sich. Die Investitionsaussichten bleiben jedoch schwach, da die Kreditnachfrage der Unternehmen im ersten Quartal des Jahres deutlich zurückging. Die rekordverdächtig niedrige Arbeitslosenquote von 6,5 % führt nur zu einer langsamen Verbesserung des Verbrauchervertrauens, dass immer noch im negativen Bereich verharrt. Die Einzelhandelsumsätze stagnieren, aber steigende Reallöhne und die gute Beschäftigungssituation dürften die private Nachfrage in den kommenden Monaten stützen. Deshalb gehen wir davon aus, dass das Wachstum in der Eurozone in der ersten Jahreshälfte 2024 stagnieren wird, sich aber in der zweiten Jahreshälfte allmählich verbessern und an Fahrt gewinnen wird. Die Fiskalpolitik wird auch 2024 im Großen und Ganzen unterstützend wirken. Aufgrund der Defizitproblematik nimmt der Druck zu, die Staatshaushalte zu konsolidieren. Der disinflationäre Trend setzt sich fort, wobei die Inflation im März weiter auf 2,4 % und die Kerninflation auf 2,9 % zurückging. Der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht gewonnen, da die Dienstleistungsinflation bei 4 % verharrt. Die negative Einschätzung der Wirtschaft durch die EZB und die guten Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung stärken die Argumente für eine Lockerung der EZB-Politik. Eine Zinssenkung im Juni scheint beschlossene Sache zu sein.
China
Chinas Wirtschaftsindikatoren deuten auf eine gewisse Verbesserung und eine Festigung der wirtschaftlichen Erholung hin. Auch wenn das BIP im ersten Quartal annualisiert um 5,3 % im Jahresvergleich stieg und damit die Erwartungen übertraf, bleibt das Erreichen eines BIP-Wachstums von 5 % in 2024 weiterhin eine Herausforderung. Das Wachstum im ersten Quartal konzentrierte sich hauptsächlich auf die ersten beiden Monate des Jahres. Im März war hingegen eine gewisse Verlangsamung der Industrieproduktion und der Einzelhandelsumsätze zu beobachten. Es scheint noch zu früh, um von einer Wiederbelebung des chinesischen Handelssektors zu sprechen. Die Erholung der weltweiten Nachfrage ist nach wie vor ungewiss und die chinesische Inlandsnachfrage bleibt der Schlüssel zu einer nachhaltigen Erholung. Die politischen Maßnahmen zur Stärkung des Binnenkonsums und zur Beschleunigung der Modernisierung des Industriesystems zeigen allerdings erste Resultate. Die Frühindikatoren haben im März stark angezogen. Das verarbeitende Gewerbe kehrt nach mehreren Monaten des Rückgangs in den Wachstumsbereich zurück, während der Dienstleistungssektor weiterhin die treibende Kraft der Wirtschaftstätigkeit ist. Mit dem angeschlagenen Immobiliensektor und dem schwachen Arbeitsmarkt gibt es immer noch erheblichen Gegenwind. Der Preisdruck ließ im März wieder nach: Der Verbraucherpreisindex stieg auf Jahresbasis nur um 0,1%. Auch die Kerninflation stieg nur um 0,6 %, nachdem sie im Februar noch 1,2 % zulegte. Die Erzeugerpreise befinden sich weiterhin tief im deflationären Bereich (-2,8 %). Wir gehen davon aus, dass die politischen Entscheidungsträger die Finanz- und Geldpolitik weiterhin aktiv einsetzen werden, um ihr Ziel der Wiederbelebung der Wirtschaftstätigkeit zu erreichen und ihr Wachstumsziel für 2024 zu verwirklichen.
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